Friedhelm Thiedig, Jahrgang 1933, hatte schon zu seiner Schulzeit an der Erfurter Oberschule „Zur Himmelspforte“ den Wunsch, Geologe zu werden. Im August 1951 hatte er Gelegenheit, als Helfer bei Ausgrabungen im Braunkohletagebau Geiseltal im Saalekreis mitarbeiten zu können. Vermittelt durch Prof. Gallwitz vom Geologisch-Paläontologischen Institut der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg erhielt Friedhelm Thiedig im September 1951 einen Studienplatz am Geologischen Institut in Halle. Er war darüber verblüfft, denn er stammt aus einer zwar durch den Krieg mittellosen Kaufmanns-, aber eben nicht aus einer Arbeiter- oder Bauernfamilie, somit war nicht damit zu rechnen gewesen, dass er überhaupt würde studieren dürfen. Auf einer FDJ-Veranstaltung für Erstsemester erfuhr er den Grund für seine und weitere überraschende Zulassungen: die Studenten sollten die neuen Kader werden für die Besetzung wichtiger Dienstposten in einem wiedervereinigten sozialistischen Deutschland.

Im März 1952 wurde Friedhelm Thiedig von einem Kommilitonen angesprochen: er habe bemerkt, dass Friedhelm Thiedig dem DDR-Staat kritisch gegenüber stehe. Ob er bereit sei, in einer studentischen Widerstandsgruppe mitzuarbeiten.

„Unvergessen war mir eine Äußerung unseres von uns Schülern sehr verehrten Deutschlehrers Dr. Karl Hertling in Erfurt geblieben, der uns ermahnt hatte, dass wir uns nicht auch später einmal vorwerfen lassen sollten, totalitäre Systeme nicht verhindert zu haben, wie es ihm und seiner Generation erging. In unserer Schulzeit mussten wir immer große „fortschrittliche“ Transparente in unseren Klassenzimmern aufhängen. Als die Freiheitskämpfer von 1807/08 gegen Napoleon, die damals für eine allgemeine Volksbewaffnung eintraten, plötzlich wieder von der DDR-Regierung für ihre Propaganda wichtig wurden, haben wir ein riesiges Spruchband aufgehängt mit der von Johann Gottlieb Fichte stammenden Maxime: „Und handeln sollst du so, als hinge von dir und deinem Tun allein das Schicksal ab der deutschen Dinge und die Verantwortung wäre dein“.

Wir sahen nun erneut die totalitären Geister in Deutschlands Osten auferstehen, nur in einem anderen Gewand. Es fiel mir nicht schwer, mich für den Widerstand zu entscheiden.

Friedhelm Thiedig nahm an den so genannten „Briefaktionen“ teil, d.h. an der Verteilung der Tarantel, von Flugblättern des Komitees gegen Unmenschlichkeit (KgU) und von westlichen Zeitungen, die mit stark verkleinertem Schriftbild auf sehr dünnem Papier im Briefformat nachgedruckt worden waren. Was Friedhelm Thiedig und seine studentische Widerstandsgruppe nicht wussten: das MfS hatte längst eine Informantin als Sekretärin in der Westberliner Zentrale der KgU.

Ostern 1952 startete die Gruppe eine „Briefaktion“, die sich vorrangig an „fortschrittliche“ Professoren der politischen, philosophisch-marxistischen, ökonomischen und juristischen Fächer wendete. einige Wochen danach wurde die gesamte Gruppe verhaftet, Friedhelm Thiedig am 16. April 1952 in seiner Studentenwohnung in Halle-Süd. Nach einigen Verhör-Tagen im Stasi-Gebäude in Halle wurde er zur U-Haft in das Gefängnis „Roter Ochse“ in Halle verbracht: Am 26. Juni fand der Prozess gegen 6 Studenten vor dem Landgericht Halle unter Vorsitz von Oberrichter Blumrich statt. Alle Angeklagten wurden verurteilt, zu Zuchthausstrafen bis zu 13 Jahren. Friedhelm Thiedig wurde, da er der Gruppe nicht lange angehört und nur an wenigen Aktionen teilgenommen hatte, zu einer relativ milden Strafe von 3½ Jahren verurteilt. Seine Haftstrafe hat Friedhelm Thiedig in der Strafvollzugsanstalt Torgau absolviert.

Friedhelm Thiedig erinnert sich genau an die Umstände von U- und Strafhaft, an unverständliche Reaktionen des Wachpersonals auf den Inhaftierten unbekannte Ereignisse wie Stalins Tod im März 1953 oder den 17. Juni 1953, an seine Arbeit als Waffen-Verschrotter, die Verpflegung oder medizinische Versorgung. Nach eigener Aussage hat er die Haft nur deswegen so gut überstanden, weil er sie nutzte, sein Gedächtnis zu trainieren.

Im Oktober 1955 wurde Friedhelm Thiedig aus der Haft entlassen, und ihm wurde an seinem Wohnort Erfurt eine Arbeitsstelle als Abfüller in einer Schuhcremefabrik zugeteilt. Diese Arbeit hat er nicht angetreten. Obwohl er nur einen Ausweis mit Gültigkeitsbeschränkung auf den Bezirk Erfurt hatte, reiste er nach Berlin und verließ Ende Oktober die DDR in Richtung Westen.